Unser Konzept

Alte, chaotische, fehl- und fremdgesteuerte Verhaltensmuster sollen hin zu einer erhöhten Selbstakzeptanz („Ich bin ok – Du bist ok“) modifiziert werden.

Am Modell Natur mit all ihren selbstreinigenden und selbstheilenden Ressourcen soll den Jugendlichen die Vermeidung von selbstschädigenden und selbstzerstörerischen Kräften bewusst gemacht werden.

Durch das Erkennen von „Ursache und Wirkung“ und systemischer Sichtweise kann die Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit durch aktive psycho-edukative Beteiligung nebst therapeutischen Maßnahmen gesteigert und akuten sowie chronischen Belastungsmustern entgegengewirkt werden.

Die Bezugspersonen zeigen gegenüber den jungen Menschen wohlwollendes, zuverlässig-konsequentes Interesse. Das Beziehungsangebot ist abgestimmt auf die Situation und kooperiert im Alltag mit den Ressourcen des Jugendlichen, um in zunehmenden Maße Teamgeist und respektvolle und angemessene Übernahme von Verantwortung für andere und sich selbst zu fördern, sich erfolgreich zu erleben und dies zulassen zu können.

Förderung und Anforderung stehen in einem angemessenen, gesunden Verhältnis und werden auf formulierte Ziele abgestimmt, z.B. Beschulung und Ausbildung führt zu Qualifikation und Chancen im Leben.

Die Kooperation und (Re-)Integration in ein soziales System mit stabilen Strukturen und gesunden Rahmenbedingungen ist die Voraussetzung für den langfristigen Erfolg einer Maßnahme, die einen Blick über die eigenen Grenzen sowie die heimatlichen Grenzen hin zu einem europäischen, ganzheitlichen Bewusstsein wagt, welches zusätzliche Chancen für die Betreffenden bereithält.

Sprachliches Geschick und kulturelle Erweiterung stehen heute für größere persönliche und berufliche Möglichkeiten. Der Jugendliche fühlt sich erfahrungsgemäß nach einem erfolgreichen Verhaltenstraining in unserem Auslandsprojekt „Monte Canelas“ bereichert und privilegiert. Er startet selbstbewusst und aufgeschlossen in seine weitere Zukunft.

Im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit von Monte Canelas steht ein gesunder Ausgleich zwischen körperlich/geistiger Tätigkeit für den jungen Menschen und Entspannungsphasen. Ein strukturierter Tagesablauf mit festen Mahlzeiten und Pflichten erleichtert das Zusammenleben in den Betreuungsfamilien und macht den Zusammenhang von „Geben und Nehmen“ deutlich. Auf der Basis von bewusster Ernährung und viel Bewegung an der frischen Luft wird das körperliche Wohlempfinden gesteigert und Selbstwertgefühl entwickelt. Einzelfallhelfer unterstützen mit erlebnispädagogischen Inhalten die Jugendlichen und sind für ihre Belange und Beschwerden offen, vermitteln die Interessen in Richtung der Bezugspersonen, denen ein Familiencoach vor Ort zur Verfügung steht.

Ein Milieu-Wechsel ist eine große Chance zum Neuanfang, welcher in einem Schutzraum der sprachlichen Isolation beginnen, aber nicht darin enden darf. Portugal ist oftmals eine Art “Insel-Lösung” im Hinblick auf eine Beruhigung von destruktiven Handlungsmechanismen und Überforderungen im Herkunftssystem. Übungsräume und Übergangsphasen müssen nach einem gelungenen Verhaltenstraining hin zur Selbstwirksamkeit und Nachhaltigkeit einer Maßnahme geschaffen werden.

Die Jugendlichen und Besucher erfahren durch “Monte Canelas ein wohlwollendes, breites Angebot durch ein professionelles, und zugleich mitfühlendes Team, in welches sie spontan integriert werden. Eine transparente Kommunikation und regelmäßiger Austausch mit Supervision für alle Beteiligten gehört ebenso zu unseren Qualitätsmerkmalen, wie Besuche von Angehörigen und Vormundschaften unserer Betreuten im Kontext zum familiensystemischen Ansatz, den wir respektvoll in unsere Arbeit einbeziehen. Zur Erörterung und Kontrolle der formulierten Hilfeplanziele finden halbjährliche Gespräche mit den verantwortlichen Trägerschaften und Jugendämtern in Portugal statt, an denen der Jugendliche mit seinem portugiesischen Helfersystem teil nimmt und das Erreichte mit dem Erreichbaren verglichen und angepasst wird.

Ehemalige Betreute & Eltern reden über ihre Erfahrungen

J. aus Bonn teilt ihre Geschichte

Hallo, ich heiße Jaqueline, bin 24 Jahre jung und war von 2012-2014 in Portugal. 

Mit ca. 12 Jahren bin ich nach und nach auf die schiefe Bahn geraten. Die Schule habe ich teilweise nur von außen gesehen. Aufgrund dessen, habe ich mich viel auf der Straße aufgehalten und bin ziemlich schnell in falsche Kreise gerutscht. 

Nikotin, Cannabis wie auch Alkoholkonsum waren völlig normal in der Clique. Klauen, Hausfriedensbrüche, emotionale wie auch körperliche Gewalt an anderen ebenso. 

Konsequenzen und Regeln waren mir zu dem Zeitpunkt egal. Ich war unbelehrbar. 

Kontakt zum Jugendamt bestand seit meiner Kindheit. Damit waren die natürlich immer informiert. Und haben zusammen mit meiner Familie einiges versucht um mich wach zu rütteln. Mit Anfang 14 bin ich in eine Pflegefamilie gekommen um aus meinem gewohnten Umfeld rauszukommen. Das ging ca. 10 Monate mehr oder weniger gut. 

Ein Termin mit dem Jugendamt Mitarbeiter sollte wohl meine Rettung sein. Er sagte mir, er hat zwei Hände voll scheiße, eine mit Sonne eine ohne. Das war einmal die geschlossene für ein Jahr oder die Auslandsmaßnahme in Portugal für ein Jahr. Nachdem er mich etwas über die Auslandsmaßnahme informiert hat entschied ich mich dafür. Angst hatte ich trotzdem. Mit 14 Jahren in einem fremden Land und viel zu weit weg von Zuhause. Mir war klar dass ich da nicht so schnell weg komme, wenn mir mal wieder etwas nicht passt. Einen Abend vorm Abflug bin ich natürlich wieder abgehauen. Weil ich ANGST verspürt habe. Große ANGST. Die Polizei hat mich früh morgens aufgeschnappt und mich darauf hingewiesen dass mein Flieger in paar Stunden geht. Dabei war ich mir so sicher, dass ich gar nicht fliegen werde. Ich war so sauer auf mich selber, wie konnte ich meiner Mutter einen Tag vor Abflug sowas antun? Wieso habe ich meinen letzten Abend nicht mit ihr und meinen Geschwistern verbracht? Ich habe mich richtig schlecht gefühlt. Als ich Zuhause angekommen bin stand meine Mutter im Flur. Wirklich Worte fand sie keine. Außer ihrer 14 Jährigen, undankbaren, kotzenden Tochter zu sagen dass sie sich noch 1-2 std hinlegen soll um auszunüchtern. Kurze Zeit später stand auch schon der Jugendamt Mitarbeiter in der Küche mit meiner Flugbegleitung. Die Verabschiedung von meiner Mutter war für unsere Verhältnisse eher kalt. Was sehr hart für mich war, weil ich wusste das sie sich es anders gewünscht hätte. Innerlich ist mein Herz in tausend Stücke zerfallen. 

Einige Stunden darauf bin ich in Portugal angekommen. Irgendwie konnte ich das alles gar nicht wahrhaben.  Mein Flugbegleiter und ich haben uns mit Tanja in einem Cafe getroffen. Mein erster Eindruck von ihr war sehr positiv. Aber ich habe auch ziemlich schnell gemerkt, dass sie der Chef ist. Aber auf eine gute Art und Weise. 

Im Haus angekommen, hat sie mir erstmal alles gezeigt und mich vorgestellt. So richtig wahrhaben konnte ich das ganze aber immer noch nicht. Ich durfte kurz meine Mutter anrufen um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen bin. 

In meinem Zimmer hab ich mich dann sofort ins Bett gelegt und bitterlich geweint. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf. 

Aber schon nach ein paar Tagen sah die Welt ganz anders aus. Ich habe mich ziemlich schnell wohlgefühlt. Ich wurde nicht behandelt wie eine Kriminelle. Man hat mich gesehen, mich eingebunden und meine guten Seiten zum Vorschein gebracht. 

Klar gab es mit der Zeit auch einige Auseinandersetzungen. Mit Wutausbrüchen, schreien, diskutieren. Von allem was dabei. Aber bei Tanja war es anders als mit all den anderen Menschen zuvor. Sie hat es auf eine Art und Weise gemacht, die für mich genau die richtige war. Mein größtes Problem war immer, dass ich mir nichts sagen lasse konnte. Ob ich im Recht war oder nicht. Allein die Tatsache, dass jemand versucht mich zu führen war krass für mich. Doch bei Tanja hat man es quasi gar nicht bemerkt, dass sie einen gerade führt. Es gab danach immer gemeinsame Gespräche. Die für mich sehr wichtig waren. Man hat sich gegenseitig reflektiert und sich Gedanken gemacht wie man es beim nächsten mal besser machen kann. Selbstreflektion fand bis dahin immer nur in meinem Kopf statt. Ich hätte nie jemanden sagen können, was ich falsch gemacht habe. Doch sie gab mir das Gefühl dass es völlig normal sei. Und das ist es auch bis heute. Selbstreflektion ist einfach unfassbar wichtig. Ebenso Emotionen und Gefühle zu zeigen. Ich dachte  jahrelang ich wäre unantastbar, konnte selten weinen und schon garnicht im Beisein von anderen. Bis es eine Situation gab, die für mich sehr hart war. Ich musste mir Sachen anhören, die ich nie wahrhaben wollte. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass Tanja recht hat. Ich habe stundenlang geweint und das war für mich im Endeffekt sehr wichtig. “Denn manchmal muss das Herz Mauern einreißen und weinen, damit die Blumen wieder wachsen können. So ziemlich dieser Spruch, stand auf einer selbstgebastelten Karte von einer wunderbaren Praktikantin.  Das sind die kleinen Dinge, die mich geprägt haben. Danke dafür! 

Ich habe Gartenarbeiten gemacht, Autos sauber gemacht, Hundestall sauber gemacht um mir mein Taschengeld aufzubessern. Und es hat sich erstaunlicherweise, nicht mal schlimm angefühlt dafür was zutun. Schließlich wollte ich mehr Taschengeld. Und dass ich irgendwann mal auf dem Markt stehe, Mandarinen und selbstgemachten Punsch verkaufe, hätte ich mir im Leben nicht vorstellen können. Doch es hat Spaß gemacht und an Erfolgen lernt man. Ich konnte dort einfach so viele schöne Sachen erleben, die für mich vorher gar nicht in Frage gekommen wären. Im Tipi Zelt schlafen, mit Viechern. Als Beifahrer auf einem Gelände-Motorrad auf den Berg fahren wo hunderte Wildpferde und Kühe mitten auf dem Weg stehen. Mein Zimmer und mich zu räuchern um positive Vibes zu empfangen. Und noch vieles mehr. Alles ziemlich ungewöhnlich für die coole, harte Jacky gewesen.

Nach einem Jahr und meinen bestandenen Hauptschulabschluss nach Klasse 9, wollte ich natürlich nicht zurück nach Deutschland. Ich habe gespürt, dass ich noch nicht bereit bin. 

Ich habe so viele unterschiedliche Menschen und Lebensweisen kennengelernt, dass ich mich eher dazu hingezogen gefühlt habe. Diesmal hat mir der Gedanke zurück an Deutschland eher Angst gemacht. Nach meinem HPG war dann klar, dass ich bleibe und meinen Hauptschulabschluss nach Klasse 10 noch mache. Gesagt getan! Nur nach dem zweiten Jahr wollte ich auch noch nicht zurück. Ich glaube zu dem Zeitpunkt war ich auch schon in der verselbstständigung. Zwar noch auf Monte Canelas, doch nicht mehr im Haupthaus. Da habe ich mit meiner Mitbewohnerin gewohnt. Selber gekocht, geputzt, gewaschen, eingekauft, Geld eingeplant. Und all die Dinge gelernt und weiterentwickelt, die für ein selbstständiges Leben wichtig sind. 

Nach 2 Jahren und 7 Monaten war es dann soweit. Die Rückführung nach Deutschland. Es gab noch eine riesige Abschiedsfeier mit  Liveband. Vor lauter weinen, sah ich aus wie Klitschko. Ich habe Portugal mit einem weinenden Auge und einem lachenden Auge verlassen. Das lachende Auge gab es eigentlich nur, weil ich wusste, dass ich wieder bei meiner Familie sein werde. Aber in Portugal alles zurück zu lassen war sehr hart. Ich hatte mich so an das Leben dort gewöhnt. An das wunderschöne Land, die Menschen, einfach an alles. Die Auslandsmaßnahme war einfach das Beste was mir hätte passieren können. Natürlich neben meinem Sohn. Denn mittlerweile bin ich Mama eines fast 5 Jährigen Sohnes. Der Portugal nach dem zweiten Urlaub, genau so liebt wie ich. Ich bin so dankbar für diese lehrreiche und wunderschöne Zeit. Und vor allem Tanja! Und ihren Söhnen die ihre Mama immer teilen mussten, und uns “Jugendlichen” so gut angenommen haben. Manchmal haben wir uns wie Geschwister um die Fernbedienung gestritten, uns gekitzelt, gekämpft, Spiele gespielt usw. Das ist alles nicht selbstverständlich! Und dafür danke ich euch sehr!

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